Die Camera Obscura in Hainichen

Optische Physik in der Praxis
Dresden hat eine kleine, Mühlheim an der Ruhr hat vielleicht die größte, Oybin im Zittauer Gebirge hat eine mitten in der Natur und Hainichen in Sachsen hat eine auf seinem Rahmberg. Gemeint ist die Camera Obscura, eine Lochkamera.
Der Beginn auf dem Berg Oybin
Seit ich im Jahr 1980 einer von ungefähr 60 Studenten war, die sich am Neubau der Camera Obscura auf dem Berg Oybin tatkräftig beteiligten, hat sich mein Interesse für dieses und ähnliche Objekte nie gelegt.

Das Prinzip der Lochkamera wird auf fast zahllosen Internetseiten umfassend beschrieben. Einfachste und anspruchsvollere Bauanleitungen finden sich überall. Für einen eigenen Versuch ist ein dunkler Raum Voraussetzung. An einer Seite sollte ein kleines Loch (die Lochblende) die Bilder der Außenwelt durchlassen. Diese werden auf eine gegenüberliegende helle Fläche oder auf ein mit etwas Abstand vor das Loch gehaltenem Transparentpapier übertragen. Das gezeigte Abbild steht auf dem Kopf und erscheint seitenverkehrt.
Die Gemeinde Oybin im Zittauer Gebirge, die Burgruine und natürlich das kleine Haus mit der Camera Obscura auf dem höchsten Punkt des Burgberges habe ich seit meiner studentischen Hilfe immer wieder besucht. Leider ist aber eine Besichtigung und Vorführung der Oybiner Bildkamera aktuell nicht möglich. Zwar wurde in einer sächsischen Tageszeitung im März 2025 mitgeteilt, dass die Oybiner Camera Obscura wieder Bilder liefert, die aktuelle Aussage der Tourismusinformation Oybin (Stand April 2025) lautet aber anders. „Das Objekt wird schon seit längerer Zeit umgebaut, der Fertigstellungstermin steht noch nicht fest.“
Die Camera Obscura in Hainichen
Zum Glück gibt es aber in Sachsen eine schöne Alternative. Während die erste Variante der Kamera im Zittauer Gebirge schon 1852 bereitstand, wurde auf dem Hainicher Rahmberg die erste Camera Obscura im Juni 1883 eingeweiht. Aus dem einst kleinen Haus ist inzwischen ein 11 m hoher Turm geworden, der von 1982 bis 1985 errichtet wurde. Von April bis Oktober ist es in Hainichen möglich, sich die Funktionsweise einer Camera Obscura eindrucksvoll vorführen zulassen. Ich nutzte mit meiner Begleitung die Möglichkeit in der Woche (Montag + Dienstag geschlossen – alle Öffnungszeiten). Wir hatten Glück und waren die einzigen Besucher. So war die Vorführung in dem kleinen Raum bei nur drei Personen sehr gelockert. Zuvor mussten aber noch einige Treppenstufen bewältigt werden. Auf den Zwischenetagen stehen Informationstafeln zur Weiterbildung bereit. Auf der Aussichtsplattform angekommen, erwartete uns schon die ehrenamtliche Betreuerin.
Die Vorführung – live und in Farbe
Nach einigen einführenden Worten beginnt die Präsentation in einem völlig dunklen Raum. Die Augen gewöhnen sich schnell daran, denn vor uns, auf einem weißen kreisrunden Tisch, sehen wir das Abbild der Umgebung. Alles in Farbe und live. Die Autos fahren, die Menschen laufen, die Bäume bewegen sich, der Verkehr auf der ca. zwei Kilometer Luftlinie entfernten Autobahn A4 kann gesehen werden.
Für diesen Vorgang sorgt eine einfache Konstruktion. Im Kopf des Turmes befindet sich eine Öffnung, ein Loch. Dort wird über einen Spiegel die Umgebung „eingefangen“ und auf eine Linse gelenkt. Über diese werden so die Bilder der Umgebung auf dem weißen Tisch seitenrichtig abgebildet. Der Spiegel selbst kann in der Neigung verstellt und von Hand um 360 Grad gedreht werden, was einen Blick in jede Himmelsrichtung, in nah und fern, zulässt.
Unsere Vorführung dauerte etwa 25 Minuten, bei mehr Teilnehmern und mehr Fragen wird sie wahrscheinlich etwas länger. Bei dem sehr angeregten Meinungsaustausch während der Vorführung und auch im Anschluss auf der Aussichtsplattform, zeigt sich einmal mehr: Ohne interessierte ehrenamtlich tätige Menschen, würde uns vieles entgehen.
Sehenswertes Hainichen
Nach so viel schöner Physik und den angenehmen Gesprächen, haben wir uns noch zu einem kurzen Stadtrundgang durch Hainichen entschlossen. Das kleine Zentrum dominiert der Marktplatz mit dem Rathaus. Vor diesem steht das Denkmal des Fabeldichters Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769), der in Hainichen geboren wurde. In seiner Heimatstadt lebte er aber nur bis 1729. Das Denkmal wurde erstmals 1865 eingeweiht und 1999 nach einer Restaurierung wieder enthüllt.
Das Gellert-Museum Hainichen im Stadtpark erinnert unter anderem an jenen Christian Fürchtegott Gellert, an die gesamte Gellert-Familie und versteht sich als Literaturmuseum und Kunstsammlung zur Fabel. Der Besuch ist von Sonntag bis Donnerstag 13 bis 17 Uhr möglich.