Der Bautzener Lehrpfad von 1957
Durch die Altstadt von Bautzen
Der Bautzener Lehrpfad, eine Wanderung durch die Bautzener Altstadt, so lautet der Titel eines nur 12 Seiten starken Stadtrundganges durch Bautzen. Erich Lodni, der Autor, ergänzt seine Beschreibung noch mit dem Untertitel „Auf dem Lehrpfad durch das alte Bautzen“.
Versteckt zwischen alten Papierstücken entdeckte ich diesen länglichen Wanderwegweiser in einem kleinen Antiquariat. Leider fehlt die letzte Seite. Ich nehme an, dass es sich dabei um einen Stadtplan handeln könnte. Das hinderte mich aber nicht, das Stück trotzdem zu erwerben und dem beschriebenen Inhalt nachzugehen.
Erich Lodni – der Lehrpfad von Bautzen
Die von mir erworbene Stadtführung wurde 1957 veröffentlicht. Wie ich durch die Suche in Online-Antiquariaten feststellen konnte, sind weitere Auflagen dieser Publikation gefolgt. Die Ausgabe von 1967 enthält 56 Seiten und eine 4. Auflage von 1978 mit 95 Seiten wurden stark erweitert. Der Titel wurde später moderner gewählt. Ab 1967 wurde die Broschüre mit „Der Bautzener Kulturpfad. Eine Wanderung durch die Bautzener Altstadt.“ betitelt.
Der Autor, Erich Lodni, war von 1951 bis 1977 beim Rat der Stadt Bautzen angestellt und dort u.a. als Leiter der Stadt- und Vereinsbibliothek tätig. Entsprechend sachkundig ist seine Beschreibung.
Mein Stadtrundgang
Um es vorweg zu nehmen. Bautzen ist für mich kein unbekanntes Terrain. Die meisten Besuche konzentrierten sich immer auf die direkte Innenstadt. Diese hat in den vergangenen 30 Jahren einen gewaltigen Wandel vollzogen. Vielleicht sind nicht alle Neubauten ideal. Vielleicht kann immer etwas besser gemacht werden. Auch die Altstadt bekam viele neue Bauten.
Sehr gespannt war ich, ob ich die in der mir vorliegenden Beschreibung genannten Lehrpfad-Markierungen noch irgendwo finden würde. Ein waagerechter blau-gelber Strich auf hellem Grund wurde genannt.
Vom Bahnhof zum Kornmarkt
Ich begann meine Spurensuche am Bahnhof, so wie auch ursächlich beschrieben. Im weiteren Verlauf wird die Tour von mir etwas angepasst. Einige klassische Sehenswürdigkeiten besuche ich trotzdem und erwähne sie auch in diesem Beitrag. Zu DDR-Zeiten wurden diese Gebäude und Orte durch den Kulturbund mit Hinweisschildern mit entsprechenden geschichtlichen Daten versehen. Heute bietet die Stadt Bautzen einen Geschichtspfad mit 57 Stationen. An diesen Stationen sind entsprechende Informationstafeln angebracht, welche viel Wissen bereithalten.
Vom Bahnhof geht es die Bahnhofstraße bis zum Postplatz. Dominierend sind hier das Haus der Sorben und das von 1951 bis 1954 neu errichtete Postamt. Das im Eingangsbereich befindliche Glasbild „Die Post im Wandel der Jahrhunderte“, entworfen vom Zittauer Künstler Karl Wilhelm Schmidt (1902-1976), ist ein repräsentatives Beispiel für Kunst am Bau.
Ich laufe in Richtung Kornmarkt weiter. Hier beginnt das historische Stadtzentrum. Mit dem Reichenturm, dem Stadtmuseum, der Liebfrauenkirche und der beginnenden Reichenstraße mit ihren vielen Geschäften und Einkehrmöglichkeiten gibt es hier viel zu sehen. Ich wende mich heute aber anderen Sehenswürdigkeiten von Bautzen zu. An der Kreuzung Wendischer Graben / Wendische Straße stehe ich schon vor dem ersten interessanten Gebäude – die Alte Kaserne.
Wendischer Turm und Alte Kaserne
Ich biege in die Wendische Straße ein. Zuvor betrachte ich mir das zuvor erwähnte Gebäude näher. Nicht sein Mieter, das Finanzamt Bautzen interessiert mich, sondern seine Architektur. Für das als Kaserne entworfene Bauwerk zeichnet kein Geringerer als Gottfried Semper verantwortlich. Dabei wurde der ungefähr 350 Jahre früher errichtete Wendische Turm in das von 1842 bis 1844 gebaut Areal mit eingebunden.
Mein Weg führt mich entlang von Schaufenstern, deren einzige Dekoration Schilder mit der Aufschrift „Zu vermieten“ sind. Täusche ich mich oder sind es seit meinem letzten Bautzenbesuch (ca. 2019) wirklich mehr geworden?
Ich biege rechts in die Schülerstraße ein und durchlaufe einen weiteren Bautzner Stadtturm, den Schülerturm. Direkt nach dem Turm zweigt links ein stiller Weg ab, der Zwinger. Diesen wende ich mich zu. Vor mir schon zu sehen, die Gerberbastei. Früher wie heute ist in dem Areal eine Jugendherberge angesiedelt. Mein Hauptinteresse gilt aber dem folgenden Nicolaifriedhof mit der Nicolaikirchruine.
Nicolaifriedhof und Nicolaikirchruine
Hier entdecke ich die alte Markierung, blau-gelber Strich auf hellem Grund. Ob das Zeichen in aktuellen Stadtbeschreibungen noch eine Rolle spielt, weiß ich nicht.
Die 1444 erbaute spätgotische Nicolaikirche wurde 1634 zerstört und ist seit dieser Zeit eine Ruine. Im 18. Jahrhundert wurde diese mit einer Friedhofskapelle ergänzt. Auf dem anliegenden Nicolaifriedhof sind christliche und weltliche Bestattungen möglich.
Hier befinde ich mich an einem ganz stillen und sehr romantischen Ort. Ruhe. Ich schlendere durch den Wehrgang und schaue ins mäanderförmige Spreetal. Ein Abschnitt der alten Handelsstraße Via Regia verläuft durch diesen Stadtteil. Etwas entfernt sehe ich auf der gegenüber liegender Seite eine kleine Kapelle. Ich genieße die Ausblicke und verlasse dann doch diesen ruhigen Ort. Ich laufe durch den Nicolaiturm.
Der Blick ins Spreetal
Die ursprüngliche Lehrpfadbeschreibung leitet die Besucher weit ausgedehnter zu den klassischen Highlights. Zu diesen zählen unter anderem die Ortenburg, das Sorbisches Museum, das Burgtheater usw. Im Bautzener Geschichtspfad sind sie alle enthalten [ 1 ]. Ich stehe auf der Schloßstraße und entscheide mich ab hier für einen anderen, eigenen Weg.
Für einen Wochentag im Februar 2022 ist in dieser Gegend von Bautzen nicht viel los. Genauer gesagt, nichts. Für mich ist das nicht unbedingt ein Nachteil. So kann ich mir die kleinen Gassen näher besehen. Predigergasse, Messergasse, Rittergasse, Schloßgraben – schon die Namen verbreiten ein historisches Gefühl.
Den Schloßgraben nutze ich als Verbindungsweg zum Stadtmauerdurchgang. Hier stoße ich auf zwei interessante Wege, den Osterweg und den Reymannweg. Hinter mir die Stadtmauer, blicke ich ins Spreetal. Auch hier Gassen und schmale Wege, in der näheren Entfernung entdecke ich die Friedensbrücke. In der Ferne lockt das Lausitzer Bergland. Bei diesem Anblick weiß ich, dass mich die nächste Bautzener Stadtwanderung durch dieses Tal führen wird. Bis dahin ist aber noch etwas Zeit.
Ein interessanter Rückweg
Ich begebe mich auf den Rückweg. Über den Burgplatz erreiche ich die Ruine der Klosterkirche St. Marien, auch Mönchskirchenruine bezeichnet. Noch einmal kreuze ich die fast leeren Gassen, erreiche die Innere und Äußere Lauenstraße und biege in die Goschwitzstraße ein. Diese führt zum Postplatz, über den ich am Anfang meines Rundganges spaziert bin. An der Seminarstraße biege ich rechts ab und wähle zum Abschluss „meines Lehrpfades“ eine andere Route.
Schon nach wenigen Metern stehe ich vor dem schmucken Deutsch-Sorbischen Volkstheater. Auf dem großzügigen Vorplatz ist ein Springbrunnen, der im Februar natürlich außer Betrieb ist. Er wird von mehreren Bänken eingefasst und ist Teil der Schilleranlagen. Trotz kühler Temperaturen genießen hier viele Jugendliche ihre Mittagspause. Offensichtlich verbringen sie die werktäglichen Vormittage im angrenzenden Schiller-Gymnasium oder im Beruflichen Schulzentrum.
Finale wieder am Bahnhof
Vom Grünanlagenbereich am Theater sind es nur noch 500 m bis zu meinem Ausgangspunkt zurück. Dieser Abschnitt ist schnell absolviert. Insgesamt hat meine Lehrpfadrunde eine Länge von ca. 4 km.
Wie schon erwähnt, war die Anregung durch die kleine Broschüre von Erich Lodni ein willkommener Anlass für diesen Stadtspaziergang. Weitere Touren in diesem Kleinformat werden folgen.
Literatur
- [1] Der Bautzener Lehrpfad, Erich Lodni, Herausgeber Rat der Stadt Bautzen, Abt. Volksbildung, April 1957