Vom Rittergut Tiefenau zur Ferienhaussiedlung
Tiefenau als Teil des Elbe-Röder-Dreiecks
Im nördlichen Sachsen, dort wo die Landesgrenze zu Brandenburg heftige Schlenker hat, befindet sich eine Heide- und Teichlandschaft, die nur sehr regional bekannt ist. Mit den Bezeichnungen Gohrischheide, Koselitzer Teiche und Tiefenauer Teiche ist der Charakter dieser Gegend recht eindeutig beschrieben. Seit 2007 wird die Region als „Elbe-Röder-Dreieck“ bezeichnet, was den Landstrich sehr gut erfasst.
Was hat mich in diese Ecke getrieben?
Tiefenau – das unbekannte Schloss
Bis vor ungefähr 50 Jahren verbrachte ich einen Teil meiner Winter- oder Sommerferien bei meiner Großmutter auf dem Lande, ganz in der Nähe der Elbe-Röder-Region. In fast unbeschreiblich einfachen Wohnverhältnissen (aus heutiger Sicht) erlebte ich eine Ferienzeit, die mich der Natur und den vielen unbekannten Orten sehr nahebrachte. Mit einem alten Damenfahrrad erkundete ich die Region. Die Fahrten führten mich über Feldwege, über Felder und gelegentlich auch über die meist unbefestigten Straßen.
Bei einem meiner Ausflüge gelangte ich zu einem Schlosskomplex, der bäuerlich genutzt wurde. Daran angrenzend sah ich eine kleine Kirche. Beides interessierte mich damals weniger, es war aber meine erste Begegnung mit dem Rittergut Tiefenau und der Schlosskirche Tiefenau.
Tiefenau – das vergessene Schloss
Über viele Jahrzehnte war alles bei mir in Vergessenheit geraten. Gelegentlich wurde das Schlossgelände bei Fahrten auf der B169 von Riesa nach Gröditz, oder umgekehrt, tangiert.
Doch plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit durch einen Artikel im „Jahrbuch 2019, Denkmalpflege in Sachsen“ [ 1 ] wieder gesteigert. „Der Schlossgarten Tiefenau. Ein bisher unbekannter sächsischer Garten der Hesperiden aus dem frühen 18. Jahrhundert“ lautet der Titel. Nach dem Lesen war ich mir sicher, ich kenne die Region und ich muss mir endlich mal alles genau ansehen.
Gedacht und getan. Im Juni 2022 stieg ich ins Auto und fuhr nach Tiefenau. Viel, sehr viel hat sich seit meiner ersten Begegnung verändert. Und noch viel mehr soll zukünftig passieren.
Tiefenau – die Schlossgeschichte
Die Geschichte des Rittergutes und Schlosses Tiefenau reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Wie immer in meinen Beiträgen, wiederhole ich hier keine Zahlenkolonnen und Infos, die an anderen Stellen umfangreicher abrufbar sind. Trotzdem sollen ein paar Fakten genannt werden, die nicht ohne Belang sind.
Ende des 16. Jahrhunderts taucht erstmals eine Familie Pflugk als Besitzer auf. Verschiedene Nachkommen gestalten den Schloss- und Gartenbereich immer wieder neu. Unter anderem lässt Elisabeth Friederike Gräfin von Pflugk, Witwe des Oberhofmarschalls August Ferdinand Graf von Pflugk (1662 – 1712), in den Jahren 1716/17 die angrenzende Schlosskapelle errichten. In dieser Zeit wurde auch eine Silbermann-Orgel eingebaut.
Das Kriegsende 1945 hatte auch für das Schlossareal Tiefenau die üblichen Folgen. Die Besitzerfamilie von Pflugk wird enteignet, die Schlossgebäude werden geplündert, 1948 erfolgt die Zerstörung des Schlosses. Bis 1990 werden die verbliebenen Gebäude als Scheunen und Stallungen genutzt. Eine Ausnahme bildete der angrenzende Schlossgarten, der 1981 zum Rosengarten umgestaltet wurde.
Nach dem erneuten Gesellschaftswechsel gibt es positive Zeichen für die Schlosskapelle. Sie und die Silbermann-Orgel werden restauriert, so dass ab Ende der 1990er Jahre wieder Veranstaltungen stattfinden können.
Rittergut + Schloss Tiefenau – der Verfall
Leider waren die neuen, neuen Zeiten für das Schlossareal nicht sonderlich günstig. Im Mai 1991 kaufte die damals noch selbstständige Gemeinde Lichtensee (zu der Tiefenau seit 1952 gehörte) das Rittergut und 70 ha Ackerland von der Treuhand. Der sofortige Weiterverkauf an zwei smarte Herren stellte sich als großer Irrtum raus. Das Rittergutsgelände, der Rosengarten und der Park wurden immer mehr schuldnerisch belastet, die baulichen Zustände entwickelten sich dazu indirekt proportional. Auch hier waren es wieder die Bürger, respektive die Einwohner von Tiefenau und Umgebung, die durch freiwillige Pflanzaktionen (finanziert durch die Gemeinde und Spender) dem Rosengarten ein besseres Aussehen gaben und so zum Erhalt dieses Kleinodes beitrugen.
Die Jahre gingen ins Land. Plötzlich, im Jahr 2006 tauchte mit dem Niederländer Henry de Jong ein neuer Interessent auf. Tiefenau gehörte inzwischen zur Gemeinde Wülknitz und im dortigen Gemeindeamt war man zunächst vorsichtig. Doch dieses Mal sollte die Geschichte besser ablaufen, auch wenn viel, viel Zeit dafür gebraucht wurde.
Premium Resort Schloss Tiefenau
Henry de Jong plante mit seiner Firma Premium Resort Schloss Tiefenau Besitz GmbH ein Großprojekt. Hotel, Ferienhäuser, Golfplatz …
In den Ohren der leidgeplagten Anwohner und Gemeinderatsmitglieder klang das unwahrscheinlich. Und doch. Auch wenn Henry de Jong sein Projekt inzwischen etwas abgespeckt und angepasst hat, die Strategie ist geblieben und Ausdauer hat er schon lange bewiesen. 13 Jahre hat es gedauert bis alles geklärt war, bis endlich der Gemeinderat Wülknitz im Herbst 2019 einen Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan „Resort Rittergut Tiefenau“ verabschieden konnte (veröffentlicht im Februar 2020).
Dank der Initiative von Henry de Jong, unterliegt das gesamte Areal einem Umbau, Umbruch und Wiederaufbau. Die Erfolge können sich bereits heute sehen lassen.
Aber, das Torhaus wurde restauriert, das Dach der ehemaligen Scheune ist denkmalgerecht wiederhergestellt, die vier Eckbrunnen im Rosengarten sind fertig und spenden wieder Wasser. Der Mittelbrunnen steht vor der Vollendung und der Grottenpavillion ist fertiggestellt. Auch wenn es in der Anlage noch unheimlich viel zu tun gibt, bin ich doch gespannt, wie es im Schlossareal Tiefenau zukünftig aussehen wird. Entsteht die Ferienhaussiedlung, wird das Rittergut so saniert, wie gewünscht und wird als Krönung des Ganzen das an den Schlosspark angrenzende Schloss Tiefenau wieder aufgebaut?
Literatur
- [1] Der Schlossgarten Tiefenau. Ein bisher unbekannter sächsischer Garten der Hesperiden aus dem frühen 18. Jahrhundert. Schwarz, Henrike, Artikel aus: Denkmalpflege in Sachsen, Nr. 1, 2019