Rabenau und sein Stuhlbaumuseum
Die Kleinstadt Rabenau / Sachsen
Die kleine Stadt Rabenau in Sachsen ist mit ihrer geografischen Lage zwischen Tharandt, Freital und Dippoldiswalde schwer zu beschreiben. Wanderer und Radtouristen, die sich im angrenzenden Rabenauer Grund oder in den Ausläufern der Dippoldiswalder Heide bewegen, können dem Ort nur mit etwas Anstrengung einen Besuch abstatten. Immerhin liegt Rabenau in ca. 300 m Höhe und ist aus allen Himmelsrichtungen nur über Anstiege zu erreichen. Wer sich aber einmal die Mühe gemacht hat, der findet in dem kleinen Städtchen eine Seltenheit. Es handelt sich dabei um das Deutsche Stuhlbaumuseum.
Stuhlbau hat in Rabenau Tradition. Seit dem 17. Jahrhundert, so ist belegt, wurden hier aus dem Holz der umliegende Wälder Schemel, Hocker und auch Stühle gefertigt. Damit gilt Rabenau als Deutschlands älteste Stuhlbauerstadt. 1785 zählte man in dem kleinen Ort 46 Stuhlbauerwerkstätten. Ende des 19. Jahrhunderts, im Zeitraum 1866 bis 1870, begann die industrielle Stuhlproduktion. Diese endete in den 1950er Jahren. Mit der Gründung des VEB Polstermöbel Kombinat Oelsa-Rabenau erfolgte gleichzeitig eine Umstellung auf die Polstermöbelfertigung. Die heutige Polstermöbel Oelsa GmbH mit Sitz in Rabenau ist ein unmittelbarer Nachfolger des ehemaligen DDR-Betriebes. Der im Jahr 2001 auf dem Marktplatz in Rabenau eingeweihten „Stuhlbrunnen“ des Bildhauers Peter Fritzsche setzt dem Handwerk der Stuhlbauer ein Denkmal.
Das Deutsche Stuhlbaumuseum
Bei soviel Stuhlbautradition ist es nicht verwunderlich, dass die Stadt über ein Museum verfügt. Dieses widmet sich neben der Heimatgeschichte schwerpunktmäßig auch der Rabenauer Stuhlfertigung . Nach der Erstgründung als Heimatsammlung im Jahr 1922, wurde zum 1. Mai 1978 das „Heimat- und Stuhlbaumuseum der Stadt Rabenau“ am heutigen Standort auf dem Gelände der ehemaligen Burg eröffnet. Nach einer Sanierung des Gebäudes im Zeitraum 1993/1994, der Wiedereröffnung und fortlaufenden Umbaumaßnahmen lädt das Museum Ihre Gäste unter dem heutigen Namen „Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau/Sa. e.V.“ zu Dauer- und Sonderausstellungen ein.
Über einen längeren Zeitraum habe ich dem Spezialmuseum immer wieder einen Besuch abgestattet. Dabei haben mich meist die kleinen, aber trotzdem sehr intensiv recherchierten und zusammengestellten Sonderausstellungen angezogen. Neben den Themen Holz und Möbel, gab es in der Vergangenheit auch Kunstausstellungen und heimatgeschichtliche Präsentationen.
Dass sich die Rabenauer Ausstellungsmacher in ihrem Kernbereich besonders wohlfühlen, haben mir in der jüngsten Vergangenheit mehrere Ausstellungen gezeigt. Dazu zählten: „Möbel für alle – Die Geschichte der Sächsischen Möbelindustrie“ (2014), „Rudolf Horn – Wohnen als offenes System“ (2019/2020) und „Der im Holz las – Lüder Baier und seine Kunst“ (2021/2022) gezeigt. Nun geht diese attraktive Industriegeschichtspräsentation weiter. In einem Teil des Obergeschosses wird bis zum März 2024 eine Ausstellung angeboten, die sich wieder mit dem Stuhlbau beschäftigt. Dieses Mal handelt es sich um ein einziges Modell, einen Klassiker, der seine Entstehungsgeschichte in der DDR hatte.
Eine Sonderausstellung für einen Küchenstuhl
Vom 28.09.2023 bis 03.03.2024 wird „Der ungesehene Designklassiker“ gezeigt. Das Deutsche Stuhlbaumuseum Rabenau präsentiert „Eine Ausstellung über den beliebtesten DDR-Küchenstuhl“.
EW 1192, so die ursprüngliche Typenbezeichnung, wird in diversen Ausführungen und Varianten gezeigt. Der im Entwurfsbüro Waldheim (daher EW) vom damaligen Leiter Horst Heyder (1924 – 2000) entwickelte Stuhl, wurde für einen universellen Einsatz konzipiert. Vom Kinderzimmer bis zur Küche sollte er die Sitzbedürfnisse der DDR-Bürger befriedigen. In der Grundversion, Buche natur mattiert, kam er für 19,45 DM (der DDR) in den Handel. Eine im VEB Stuhlfabrik Oederan produzierte Luxusversion, der EW 2911 E, konnte u.a. mit einer gepolsterten Sitzfläche und Lehne punkten. Er wurde für 34,90 DM (der DDR) verkauft. Dass aus dem „Stuhl in Buche“, so seine anfängliche Bezeichnung, mal eine Designklassiker werden würde, hätten die Formgestalter (DDR-Begriff für Designer) aus Waldheim wohl nicht erwartet.
Das schöne an dieser Ausstellung ist, dass die Kuratoren, beflügelt durch den Initiator Prof. Jacob Strobel (Professor für Holzgestaltung, Angewandte Kunst Schneeberg), nicht stur ein paar Stühle in den Raum stellen. Sie lassen ehemaligen und aktuellen Stuhlbesitzer und -nutzer zu Wort kommen. So werden die Museumsbesucher zu der Frage angeregt: steht bei mir auch so ein „altes Exemplar“ in der Garage, dem Keller oder in der Gartenlaube?
Das Fazit, zwei Fragen und eine Antwort
Rabenau zeigt den EW 1192 und viele andere Stühle – unbedingt ansehen. Vielleicht stellt der eine oder andere Besucher beim Rundgang fest: den habe ich doch auch. In diesem Fall werden sich die Rabenauer über jede Rückmeldung freuen.
Beim Verlassen des Museums und in Erinnerung an die Ausstellung „Rudolf Horn – Wohnen als offenes System“ (welche zuvor anlässlich des 90. Geburtstages des Produktgestalters schon im Kunstgewerbemuseum Dresden-Pillnitz gezeigt wurde), stellte sich mir die Frage: Kannten sich Rudolf Horn und Horst Heyder?
Rudolf Horn wurde 1929 in Waldheim geboren. Schon Anfang der 1950er Jahre hat er seine Heimatstadt in Richtung Heidenau, Dresden und Halle / Burg Giebichenstein verlassen. Horst Heyder war wie Horn gelernter Tischler, kam aber erst mit der Gründung des Entwurfsbüros Waldheim 1954 in die Stadt. Hier wirkte er, ab 1969 zusammen mit Hans Fiedler, äußerst umfangreich und entwarf weitaus mehr, als nur den hier gezeigten Küchenstuhl.
Horn und Heyder müssen sich gekannt haben. Immerhin studierte Horst Heyder bis 1982 nebenberuflich an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle – Burg Giebichenstein. Dort wirkte Rudolf Horn und laut einer Information der „Waldheimer Heimatblätter“ [ 1 ], soll es eine Verbindung zwischen beiden geben haben: „Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass es über viele Jahre eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen dem Entwurfsbüro Waldheim und der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein, insbesondere mit Herrn Prof. Rudolf Horn gab, der vielen Waldheimern bekannt ist.“
Bleibt zum Schluss die zweite Frage, ob wir in weiterer Zukunft auch mal eine Ausstellung über das Wirken des Produktgestalters Horst Heyder sehen können.
Literatur
(1) Waldheimer Heimatblätter, Heft 24, Karl-Heinz Teichert, Stadt Waldheim/Sa., 2007