Kunstgenuss im Stadtmuseum Pirna
Das Stadtmuseum Pirna – konstant und nie langweilig
Am nordwestlichen Rand der Altstadt von Pirna befindet sich mit dem ehemaligen Dominikanerkloster und der Klosterkirche St. Heinrich ein Architekturkomplex, der nicht gerade zum Hauptbesuchsziel von Touristen zählt. Das ist schade, aber diesen Eindruck habe ich jedes Mal, wenn ich das Pirnaer Stadtmuseum besuche.
Im Kapitelsaalgebäude des Klosters wurde das Museum erstmals 1923 eingerichtet und präsentiert an diesem Ort Dauer- und Wechselausstellungen. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sind die Ausstellungen meist nicht sehr umfangreich, inhaltlich aber immer bemerkenswert.
Das ehemalige Dominikanerkloster
Dominikanermönche von St. Pauli aus Leipzig sollen den kirchlichen Baukomplex etwa um 1300 gegründet haben. Nach der Einführung der Reformation wurde das Kloster 1539 aufgelöst. Mehrere Gebäude verschwanden oder wurden zu Bürgerhäusern umgebaut. Die Klosterkirche unterlag in den folgenden Jahrhunderten unterschiedlicher Nutzung. Erst nach 1952, die katholische Gemeinde Pirna hatte die Kirche inzwischen gepachtet, wurde das bei Bombenangriffen im April 1945 stark beschädigte Gotteshaus saniert und ausgebaut. Am 11. August 1957 erfolgte die Weihe auf den Namen St. Heinrich, des Gatten der hl. Kunigunde.
Nach der Weihe wurde die Kirche mit einem Flügelaltar, einer trauernden Lindenholzmadonna und einem Taufstein komplettiert. Sehr interessant ist das sich an der Längsseite der Kirche befindende sechs Meter hohe Standkreuz. Der Dresdner Bildhauer Friedrich Press (1904 – 1990) hatte es 1972 geschaffen.
Das an den Kirchenbau angrenzende Kapitelsaalgebäude beherbergt das Stadtmuseum Pirna. Bis zum Jahr 1984 wurden die Räume durch das Pirnaer Kreismuseum und ein Kunstseidenmuseum genutzt. Nach der Schließung wegen des desolaten baulichen Zustandes im gleichen Jahr folgte eine lange Sanierungsphase mit der Neueröffnung im Jahr 1993.
Vom Kreismuseum zum Stadtmuseum
Ungefähr 10 Jahre später entdeckte ich das Pirnaer Stadtmuseum das erste Mal für mich. Seitdem besuchte ich immer wieder die mit ganz unterschiedlichen Inhalten kuratierten Sonderausstellungen. Sehr gut kann ich mich an das Jahr 2007 erinnern. Anlässlich des 100. Geburtstages der in Pirna geborenen Malerin Eva Schulze-Knabe (1907 – 1976) wurde eine wirklich interessante Schau zusammengestellt und gezeigt. Eva Schulze-Knabe, deren erster Mann Fritz Schulze 1942 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde, sie selbst war bis 1945 im Zuchthaus Waldheim ursprünglich lebenslang inhaftiert, war mir bis dahin meist nur als Vertreterin des sogenannten sozialistischen Realismus bekannt. Nach der Beschäftigung mit ihrer Biografie und nach dem Besuch dieser Ausstellung hatte ich ein ganz anderes Bild von der Malerin.
Wie unterschiedlich die Gestaltungsmöglichkeiten von Künstlern sein können, erlebte ich im Jahr 2016. Unter dem Titel „Joinettes – Serviettentechnik“ präsentierte die studierte Physikerin Hanna Andrea Last 60 Serviettenfaltbilder. Mit viel Phantasie und gestalterischem Geschick lässt Hanna Andrea Last aus den Papierservietten ihre Kunstwerke entstehen. Interessant am Rand: Ihr Vater heißt Karl Grumpelt und war von 1953 bis 1986 Leiter des Stadtmuseums Pirna.
Umzug aufs Land – für sechs Monate in Pirna
Vom 23. April bis zum 15. Oktober 2023 zeigte das Stadtmuseum mit seiner Sommerausstellung sechs Dresdner Künstler, die ihren Wohnsitz Anfang des 20. Jahrhunderts teilweise oder permanent in die Sächsische Schweiz verlegten. Im 2. Obergeschoss des Museums, das leider nur zu Fuß über eine recht enge Wendeltreppe zu erreichen ist, hatte die Kuratorin Gerburg Sturm wieder eine schöne Ausstellung konzipiert. Zu den ausgestellten Künstlern gehörten:
Pol Cassel (1892 – 1945), Julius Junghans (1892 – 1969), Elfriede Lohse-Wächtler (1899 – 1940), Johannes (Hanns) Oehme (1899 – 1944), Robert Sterl (1867 – 1932) und Georg Siebert (1896 – 1984).
Robert Sterl, von 1923 bis 1924 Rektor der Dresdner Kunstakademie, zog es schon 1919 nach Naundorf in der Sächsischen Schweiz, wo sein Wohnhaus und Atelier als Robert-Sterl-Haus noch heute besucht werden kann. Johannes Oehme erwarb 1921 in Obervogelgesang ein Grundstück. Neben der Malerei widmete er sich hier seiner umfangreichen Kakteenzucht. Ganz in der Nähe, in Niedervogelgesang, ließ sich Georg Siebert für einige Zeit nieder. Von 1942 bis 1945 hatte er eine Lehrtätigkeit an der Kunstakademie in Dresden, dort, wo Robert Sterl die seinige im Jahr 1932, ein halbes Jahr vor seinem Tod, beendete.
Ebenfalls in Niedervogelgesang lebte seit 1932 der recht unbekannte Julius Junghans mit seiner Gattin. Die Ehe blieb kinderlos, nach dem Tod von Junghans im Jahr 1969 verzog seine Frau in die Schweiz. In der Pirnaer Ausstellung sind einige Buchillustrationen und kleinere Zeichnungen zu sehen.
Im Jahr 1921 siedelte sich Pol Cassel mit seiner Familie in der Nähe von Stadt Wehlen an. In einem stillgelegten Steinbruch richtete er sich das Schmiedehaus als Atelier ein. Nur für kurze Zeit folgte ihm die junge Elfriede Lohse-Wächtler mit ihrem Mann Kurt Lohse. Das Werkleiterhaus im Schreckenbachschen Steinbruch nahe der Ortschaft Zeichen war für die gemeinsame Zukunft geplant. Leider hielt die schöpferische Idylle nur bis zum Sommer 1922.
Die Sonderausstellung im Stadtmuseum Pirna vereinte sechs Künstler mit sechs unterschiedlichen Lebensläufen. Diese können Besucher in einem Flyer, der zum Besuch der Ausstellung gratis ausgehändigt wurde, in geraffter Form nachlesen. Mir ist dabei aufgefallen, dass drei der sechs vorgestellten Künstler nur ein sehr kurzes Leben hatten und eines unnatürlichen Todes sterben mussten.
Hanns Oehme galt im 2. Weltkrieg ab 1944 als vermisst, Pol Cassel starb 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Und Elfriede Lohse-Wächtler? Sie wurde 1940, nur rund 500 Meter Luftlinie vom Ausstellungsareal entfernt, in Pirna-Sonnenstein von den Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion T4 ermordet.