Meißen an der Elbe ganz anders
Ein Spaziergang durch Meißen
„Meißen muß [sic] man schluckweise genießen. Die Stadt, der Dom, die Burg, die Freiheit davor – jedes will für sich genommen sein.“ So beginnt Edgar Hahnewald seine Beschreibung „Meißner Farbenspiele“ in seiner Erzählungszusammenstellung „Sächsische Heimatbilder“ [ 1 ].
Gut, die Stadt, die Burg, den Dom und weitere Highlights wie die Porzellanmanufaktur mit dem Weißen Gold oder den Meißner Wein mit und in seinen Weinstuben kenne ich. Als Dresdner, der Meißen per S-Bahn, Pkw, Fahrrad und Dampfschiff schon unzählige Male besucht hat ist das nicht neu. Warum nicht einfach mal nur durch die Gassen schlendern und den Blick nach unten und oben richten?
Die Gassen von Meißen
Diesmal erfolgt meine Anreise mit dem Fahrzeug. Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum gibt es genügend. Ich nutze eine von diesen unweit der Altstadtbrücke an der B6. Mein Spaziergang wird ganz ohne Plan ablaufen. Einfach gehen, stehen bleiben, schauen und informieren. So mache ich mich auf, wenigstens einige der vielen Gassen der Porzellan- und Weinstadt zu durchschlendern.
Los geht’s am Theaterplatz Meißen
Schon nach wenigen Schritten in Richtung Zentrum stehe ich auf dem Theaterplatz. Das dem Ort seinen Namen gebende Objekt nimmt fast den gesamten Platz ein, das Theater Meißen. Schon im November 1851 wurde die Spielstätte im ehemaligen Gewandhaus der Stadt eröffnet. Hundert Jahre später erfolgte der Umbau zu seinem heutigen Aussehen. Bis 1963 wurde noch vor Ort mit einem eigenen Ensemble Theater gespielt.
Die schöne Lage im Zentrum ist bei Naturereignissen, wie es das Hochwasser 2002 war, sehr ungünstig. Die Beseitigung der Folgen dauerten bis 2004, reichlich zwei Jahre nach der Zerstörung gab es eine Wiedereröffnung. Aktuell zeichnet sich das Meißener Haus durch eine spartenbreite Mischung von Veranstaltungen aus. Konzerte aus diversen Genres, Lesungen, Kindertheater, Musical, Oper … Hoch über der Stadt und wohl von allen Seiten zu sehen, ist die Albrechtsburg. Der Besuch dieser gehört heute nicht zu meinem Programm. Den interessanten Rundweg um die Burganlage werde später besichtigen. Den vom Theaterplatz sichtbaren markanten Turmpfeiler, den Bischofsturm am Burgberg, möchte ich aber trotzdem zeigen.
Durch die Lorenzgasse zum Postgäßchen
Ich verlasse den Theaterplatz und biege in die Lorenzgasse ein. Überall wird in Meißen gebaut und trotzdem gibt es noch Gebäude auf dem Stand vor 1990. Durch Gerüste und Baustellen sind manche Sichten eingeschränkt oder versperrt. Das ist nicht schön, fordert aber spätere Besuche unweigerlich heraus. Im unteren Teil der Lorenzgasse habe ich aber Glück. In einem kleinen Hof, dem ehemaligen Zollhof, sehe ich eine interessante Plastik. Es handelt sich um den sogenannten „Lothar-Sell-Brunnen“, benannte nach seinem Schöpfer Lothar Sell (1939 – 2009).
Ziemlich in der Mitte der Lorenzgasse erreiche ich das Postgäßchen, einen kurzen Fußweg zur Elbstraße. Auf den ersten Metern entdecke ich eine bemerkenswerte und lustige Wandgestaltung.
Dahinter befindet sich ein Spielplatz. Leider konnte ich bisher noch keine weiteren Infos über diese Wanddekoration in Erfahrung bringen, vermute aber aufgrund der Art der Gestaltung einen Zusammenhang zum Postwesen und vielleicht auch zum Kinderspielplatz.
Am anderen Ende der Gasse wird durch drei in luftiger Höhe radelnde Briefträger der Bezug zum Namen des Verbindungsweges noch lustiger dargestellt. Ich gehe wieder zurück zur Lorenzgasse und spaziere nun doch etwas in Richtung Schlossberg.
Geburtshaus der Louise Otto-Peters
Dabei finde ich am Haus Baderberg 2 den Hinweis, dass sich hier das Geburtshaus von Louise Otto-Peters befindet. Interessant, hatte ich doch im Jahr 2019 im Stadtmuseum Meißen eine Sonderausstellung anlässlich ihres 200. Geburtstages gesehen.
Louise Otto-Peters (1819–1895) war eine deutsche Frauenrechtlerin. Das liest sich in der heutigen Zeit sehr banal. Vor 200 Jahren, besonders als Frau, die sich für die Rechte von anderen einsetzte, war das eine Herausforderung, die heute kaum Nachzuempfinden ist. Wer sich intensiver mit dem Leben und Werk dieser starken Frau auseinandersetzen möchte, kann sich bei der in Leipzig ansässigen Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. informieren.
Die Roten Stufen – ein Klassiker von Meißen
Mein kultureller Spaziergang geht weiter. Am historischen Winkelkrug entlang und etwas leicht aufwärts stoße ich auf die Burgstraße. Wie schon erwähnt, die Burg ist heute nicht das Ziel. Trotzdem gehe ich auf klassischen Wegen weiter bergan. Über eine steinerne Treppe, die „Roten Stufen“, gelange ich von der Burgstraße zur Freiheit. Sind solche Passagen für jeden Architektur- und Kulturfreund an sich schon eine Schönheit, fühlt man sich beim Betrachten einzelner Objekte noch intensiver in der Behauptung bestätigt: „die Alten konnten bauen und hatten Geschmack“.
Zurück zum Markt
Von der Freiheit lasse ich meinen Blick über die Dächer der Altstadt von Meißen und auch auf die andere Elbseite schweifen. Einfach toll. Ähnliches wusste auch schon Edgar Hahnewald zu berichten: „Unter uns lag die Stadt – ein Geschiebe roter Dächer und brauner Flächen.“ [ 1 ]
Am Markt angekommen ergeben sich natürlich wieder eine Vielzahl von Varianten, den Weg fortzusetzen. Ich wollte den Bogen nicht allzu sehr ausdehnen. Folglich lasse ich die Frauenkirche so stehen wie sie steht und laufe die Fleischergasse leicht bergab. Dabei passiere ich die Görnische Gasse und bemerke zwei interessante Details.
Ratsdrogerie und Johann Gregorius Höroldt
Das Eckhaus Görnische Gasse 1 / Fleischgasse beherbergte einst die Ratsdrogerie von Meißen. 1585 zur Zeit der Renaissance errichtet und 1910 umgebaut, werden zum Zeitpunkt meines Stadtbesuches modische Textilien präsentiert. Interessanter scheint mir aber der hölzerne Erker. Obwohl über das Gebäude sonst wenig zu erfahren war, wurden die Schnitzarbeiten am Erker von Robert Bäder (1871 – 1947), einem Holzbildhauer ausgeführt.
Mit einer Tafel über der Toreinfahrt zum eigentlichen Haus Görnische Gasse 1 wird dem Meißen-Besucher ein interessanter Hinweis zur Porzellangeschichte gegeben. Kein Geringerer als Johann Gregorius Höroldt verstarb am 26. Januar 1775 im Haus hinter diesem Gebäude. Johann Gregorius Höroldt (1696 – 1775) war der Begründer der Meißener und Europäischen Porzellanmalerei und ab 1720 an der sächsischen Porzellanmanufaktur angestellt.
Samuel Hahnemann in Meißen
Am Roßmarkt bzw. an der Neugasse angekommen sehe ich auf der anderen Straßenseite das Straßenschild „Hahnemannsplatz“. Hat es was mit dem berühmten Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann zu tun? Hat es!
Entgegen der Bezeichnung „Platz“ ist der Hahnemannsplatz jedoch eine Straße von ca. 150 m Länge, an deren Ende (oder Anfang) sich das Geburtshaus von Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755 – 1843) befindet.
Heute wird es mit Neumarkt 59 bezeichnet. Geboren wurde Hahnemann in der Straße „Über den Fleischsteg“, die aber schon 1855 in eben diesen „Hahnemannsplatz“ umbenannt wurde.
Dr. Samuel Friedrich Christian Hahnemann war Sohn eines Porzellanmalers, ein praktizierender Arzt und gilt als der Begründer der Homöopathie. Er ist Ehrenbürger von Meißen und wurde vom Verein Meißner Hahnemannzentrum e.V. nicht nur als Namensgeber gewählt.
Altstadtbrücke und Kändlerbrunnen
Ich führe meine Runde langsam zu Ende. Dazu gehe ich den Hahnemannsplatz einige Meter in umgekehrte Richtung und laufe recht idyllisch etwas oberhalb der Triebisch. Der beschauliche Fluss hatte sich beim großen Hochwasser im Jahr 2002 leider ganz anders gezeigt. Mangels Abflussmöglichkeit in die übervolle Elbe, staute sich die Triebisch so stark, dass der sonst so kleine Wasserlauf die gesamte Altstadt mit überflutete.
An der Altstadtbrücke angekommen, sind meine Gassenpassagen zu Ende. An der linken Brückenseite begegne ich noch einem Touristen-Highlight. Stolz thront die Porzellanplastik des Helmkasuars, geschaffen von Johann Joachim Kändler (1706 – 1775), auf dem sogenannten Kändlerbrunnen.
Ist die Brunnenfigur aber wirklich aus Porzellan? Leider nein. Infolge wiederholter Versuche, die Porzellanplastik zu stehlen oder zu beschädigen, steht der aktuelle Porzellankasuar im stätischen Rathaus. Den Kändlerbrunnen mit seiner roten Granitbasis ziert „nur noch“ ein 40 kg schwerer Vogel aus Kunststoff. Schön sieht er aber trotzdem aus.
Mit dem schon weiter oben erwähnten Johann Gregorius Höroldt teilt sich Johann Joachim Kändler nicht nur den Vornamen und das Todesjahr, sondern auch den Wirkungskreis. Beide müssen sich in der Meißener Manufaktur begegnet sein, wo Höroldt seit 1720 wirkte und Kändler 1731 eingestellt wurde.
Literatur
- [1] Sächsische Heimatblätter, Edgar Hahnewald, F.A.Brockhaus Verlag Leipzig