Ruhe im Barockgarten Großsedlitz
Herbstbesuch im Garten von Großsedlitz
Wie so oft im Leben, spielte mir der Zufall in die Hände. Unter meinen Büchern fand ich das Heft “Der Garten von Großsedlitz“ (Verfasser Adolf Grafe, erschienen 1932 in Dresden [ 1 ]). Der Barockgarten, ca. 20 km von Dresden entfernt, war mir nicht unbekannt. Schon als Kind musste ich, später wollte ich, die Wege zwischen den Sandsteinfiguren wandeln und über die Terrassen blicken. Mein letzter spätsommerlicher Besuch liegt allerdings schon einige Zeit zurück.
Nun, der Sommer 2022 ist schon Geschichte und trotzdem entscheide ich mich noch mal zu einer Fahrt nach Heidenau-Großsedlitz. Sollte ich dort das finden, was der Autor so skeptisch in seinen Eingangsworten beschrieb?
„Der Garten stirbt in Schönheit“
„Während unten im Elbtalkessel laut das Gegenwartsleben pulst, Fabrikschlote qualmen, Sirenen heulen und die Schleppdampfer auf dem Strome hinkeuchen, dämmert oben unter grünen Bäumen still die Vergangenheit. Längst sind sie verklungen, die Festfanfaren und die Kriegstrompeten; versunken und vergessen, in Verfall und Vergehen begriffen, schickt der Garten zum Sterben sich an. Er stirbt in Schönheit.“
Es wird seine Gründe haben, warum der Autor die Gartensituation so pessimistisch beschreibt. Ich habe allerdings andere Eindrücke in Erinnerung und wollte diese mit der Realität vergleichen. Leider waren meine Informationen über den aktuellen Zugang etwas mangelhaft. So stellte ich vor Ort fest, dass der Park vom 1. November bis zum 31. März geschlossen ist.
Doch ich hatte Glück. Durch einen weiteren Zufall konnte ich den Barockgarten Großsedlitz im verhüllten Gewand doch besichtigen.
Parkrundgang im Kleinen
Die Entstehungsgeschichte der Anlage wurde schon oft erzählt und sie wird nicht anders, wenn ich sie hier wiederhole. Daher nur der Link zur entsprechenden Seite des Barockgarten Großsedlitz.
Ich nutzte die Gelegenheit und wandelte zwischen Oberer und Unterer Orangerie hin und her. Auf die in der warmen Jahreszeit vorhandene Pflanzenpracht, die Wasserspiele und die Zitrusbäume musste ich natürlich verzichten. Beide Orangerien waren geschlossen. Sie beherbergen im Winterhalbjahr Pflanzen und Bäume. Die Rundbassins sind abgedeckt. Der reiche Figurenschmuck des Parks ist ummantelt oder wurde in Holz eingefasst. Nicht weniger als 360 Sandsteinfiguren und -gruppen sollen ehemals die Parterres, Terrassen, Rondells und Alleen bevölkert haben. Heute sind es noch 60 Skulpturen und Vasen.
Auf einigen Wegen sehe ich aktive Gärtner. Pflanzen werden in großen Töpfen auf kleinen Fahrzeugen transportiert, Hecken werden verschnitten und Wege gepflegt. An der unteren Orangerie stehen Gerüste. Alles deutet auf den Winterschlaf hin, um sich im nächsten Jahr wieder freundlich, farbenfroh und imposant zeigen zu können.
„Schön ist der Garten …“
So war dieser nicht erwartete Besuch auch sehr schön. Ein weiterer in der warmen Jahreszeit wird folgen. Als Anregung für andere Besucher gebe ich noch einen Auszug aus dem schon zitierten Heft „Der Garten von Großsedlitz“ von Adolf Grafe, auch wenn wir die darin angeführten Schritte durch den Park im Schnee nicht erleben können:
„Schön ist der Garten im Schmucke jungen Maiengrüns, schön, wenn weiße Sommerwolken über die weiten Parterres hinziehen, schön, wenn unsere Füße durch herbstgoldenes Laub rascheln oder wenn winterlicher Schnee mitleidig die frierenden Statuen einhüllt. Schön ists, wenn graues Dämmern durch die Bosketts schleicht, wenn goldne Sonnenlichter über die Stufen hinhuschen oder silbern das Mondenlicht um die hohen Hecken geistert.“
Literatur
[1] Der Garten von Großsedlitz, Grafe, Adolf; Dresden 1932