Ottos Eck in Naundorf bei Schmiedeberg
Der Turm, der Park, der Verein
Ich weiß nicht mehr, wie oft ich die Bundesstraße 170 von Dresden über Dippoldiswalde in Richtung Osterzgebirge gefahren bin. Anfangs, da lautete die Straßenbezeichnung noch F 170, das liegt ca. 50 Jahre zurück, saß ich im elterlichen PKW nur auf den hinteren Sitzen. Und obwohl ich als Mitfahrer eigentlich mehr Zeit und Möglichkeiten zur Betrachtung der Umwelt hatte, sind mir damals viele interessante Dinge entgangen. Vielleicht hängt das aber auch mit den anderen kindlichen Interessen zusammen. Jedenfalls ist mir der kleine Turm kurz vor Schmiedeberg nie aufgefallen.
Der Wandel auf der B170
Soweit ich mich erinnern kann, war die B170 (F170 / E55) immer eine stark befahrene Straße. Unendliche Schlangen von (Transit)-LKWs, PKWs mit reiselustigen Nord- und Südosteuropäern, einheimische Menschen in ihren gerade zur Verfügung stehenden Fahrzeugen, Reisebusse mit einkaufswilligen Nachbarn aus dem sozialistischen Bruderland jenseits des Erzgebirgskamms (bis 1990) und viele mehr fuhren achtlos an diesem kleinen Turm vorbei. Ich inbegriffen.
Dann war damit Schluss. Im Dezember 2006 wurde die Autobahn A17 zwischen Dresden und Ústí nad Labem frei gegeben. Wer konnte und wollte vermied von da ab die ellenlangen Ortsdurchfahrten und die Auf- und Abfahrten über den Osterzgebirgskamm. Der Straßenverkehr auf der B170 reduzierte sich erheblich. Und plötzlich konnten die Blicke auch mal auf die Umgebung gelenkt werden (als Bei- oder Mitfahrer versteht sich). Und da sah ich ihn, den Turm bei Schmiedeberg.
Ottos Eck über dem Tal
Diese Entdeckung ist nun auch schon wieder einige Jahre her und das Ausflugsziel geriet in Vergessenheit. Nun fuhr ich aber wieder mal in diese Richtung und bei einem Blick auf die Berghöhen sah ich ihn, den Turm. Zusätzlich lenkt inzwischen ein Hinweisschild an der Straßenkreuzung in Naundorf, kurz vor Schmiedeberg (beide Ortschaften gehören seit 2014 zur großen Kreisstadt Dippoldiswalde), die Aufmerksamkeit auf den Aussichtsturm.
Ich entschloss mich zu einem Blitzbesuch. Die steilen Kehren waren schnell absolviert und schon stand ich vor dem Parkeingang. Dieser befindet sich gegenüber einem Schloss, dem Schloss Naundorf, welches ich bis zu diesem Tag auch noch nicht kannte. Meine Überraschung wurde von Schritt zu Schritt größer. Mich empfing ein gepflegter Park, viele Bänke und ebenso viele Hinweisschilder mit Baumbezeichnungen. Das gesamte Areal ist in einem sehr gepflegten Zustand. Ein breiter und viele kleine Wege führen durch den Park und haben „Ottos Eck“, den aus dem Tal sichtbaren Turm, zum Ziel. An diesen ist ein kleiner Pavillon angegliedert.
Ottos Eck und der Heimatverein Naundorf
Wie bei solchen Anlagen üblich, fängt die Geschichte nicht erst gestern an. Ein gewisser Wilhelm Eduard Otto (1823 – 1897) beginnt 1846 auf dem damaligen Capellenberg mit der Ordnung von Bäumen. Der Vorläufer eines Landschaftsparks entsteht. In Ottos Wirkungszeit fällt auch die Errichtung des Aussichtsturmes mit Pavillon, „Ottos Eck“ genannt. Später wird in diesem Zusammenhang ein Heinrich Oscar Bierling (1852 – 1944) angeführt. Ihm gehörte das benachbarte Rittergut Naundorf, welches er 1898 erwarb. Auch er machte sich um die Parkerweiterung verdient.
Weitere Angaben zum Park und auch zum Schloss sind auf der Homepage des 2001 gegründeten Naundorfer Heimatvereins „Otto’s Eck“ e.V. zu finden.
Dieser Verein ist auch der Hauptinitiator für die zahlreichen Veränderungen, Sanierungen und Initiativen in Form von jährlich stattfindenden Parkfesten. Leider waren diese in den Jahren 2020 und 2021 nicht bzw. nur in eingeschränkter Form möglich. Nun hofft der Verein, dass das nächste Parkfest am 21. August 2022 in toller Atmosphäre, bei schönstem Wetter und mit zahlreichen Besuchern bei „Ottos Eck“ abläuft.
Ergänzung zum Schloss Naundorf
Das schon erwähnte Schloss gegenüber dem Parkeingang ist ursprünglich ein Rittergut. Dessen Erwähnung und Geschichte geht bis zum Jahr 1608 zurück. Nach Ende des 2. Weltkrieges erleidet das Objekt ein ähnliches Schicksal, wie viele Schlösser, Rittergüter und Herrenhäuser im Osten Deutschlands. Leider haben die erneuten gesellschaftlichen Veränderungen ab 1990 keine Besserungen gebracht. Ab 1999 ging die Tendenz leider nur in eine Richtung – Verfall.
Seit 2017 gibt es aber endlich wieder einen neuen Besitzer. Und dieser bringt Leben ins Schloss. Auf der Homepage des Freundeskreis Schloss Naundorf e.V. werden interessante und transparente Informationen zum Stand es Umbaus und der Möglichkeit von Besichtigungen dargestellt.