Wermsdorf, Hubertusburg und Karl Hans Janke

Schloss Hubertusburg und seine Einrichtungen
Im Jahr 2013 fand auf Schloss Hubertusburg eine Sonderausstellung statt. An den „Frieden von Hubertusburg“, der 250 Jahre vorher den Siebenjährigen Krieg beendete, wollten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erinnern. Was liegt näher, als dies an historischem Ort zu tun? Über verschiedene Medien hörte ich von dieser Ausstellung und vom Schloss selbst, was mir bis dahin gänzlich unbekannt war.
Komisch, denn unzählige andere Schlösser im sächsischen Raum hatte ich mindestens einmal, meist mehrfach besucht. Das Spektrum ist weit, dazu zählen z.B. Albrechtsburg Meißen, Schloss Moritzburg, Barockschloss Rammenau, Schloss Weesenstein, Schloss Gaußig, Schloss Lichtenwalde und natürlich Pillnitz mit seinen beiden Schlössern. Nun hörte ich also von Schloss Hubertusburg, seiner Sanierung und einer interessanten Ausstellung.

Um es vorweg zu nehmen, im Jahr 2013 fand ich keinen Weg nach Wermsdorf und Hubertusburg. Vielleicht war das auch gut so, denn zwischenzeitlich erfuhr ich von einem Menschen, der 40 Jahre seines Lebens unter recht eigenartigen Bedingungen in der Psychiatrischen Klinik Hubertusburg verbringen musste – Karl Hans Janke.
Staatlich anerkannter Erholungsort Wermsdorf
Um die Wissenslücken endlich zu schließen, fahre ich im Sommer 2021 in die Ortschaft Wermsdorf. Ziel ist hauptsächlich das mir unbekannte Schloss Hubertusburg und die Dauerausstellung zu Karl Hans Janke. Auch zu Wermsdorf habe ich keine Beziehung, außer dass der Ortsname bei mir im Zusammenhang mit Briefmarken und Fischen in Erinnerung ist.
Ein erster Blick auf eine Landkarte zeigt, Wermsdorf ist von Wald und vor allem von Teichen und Seen umgeben. Ein zweiter Blick in die Heimatgeschichte bestätigt, dass Teichwirtschaft in dieser Region schon lange Zeit betrieben wird. Die Blütezeit erreichte diese interessanterweise mit dem bis 1990 existierenden VEB Binnenfischerei Wermsdorf zu DDR-Zeiten. Auch heute werden in den Wermsdorfer Teichen Fische gefangen und von verschiedenen Fischereibetrieben verarbeitet und angeboten.
Und Briefmarken? Ja, auch hier geht der Blick ungefähr 60 Jahre zurück und kommt im Anschluss doch wieder in die Gegenwart. Wer in der DDR Briefmarken gesammelt hat, musste zwangsläufig irgendwann auf ein Produkt des VEB Philatelie Wermsdorf stoßen. 1962 als Privatfirma gegründet, 1972 zum VEB verstaatlicht und 1990/91 in Folge der Wendeereignisse „beerdigt“, werden heute aus Wermsdorf doch wieder Sammlermarken und Zubehör verkauft und versendet. Unter dem Namen Deutscher Philatelie Service GmbH werden Sammler fündig.
Übrigens: Wermsdorf verfügt über ein weiteres Schloss. Das Alte Jagdschloss ist sogar noch etwas älter und wurde in der Renaissance-Zeit errichtet. Heute beherbergt es die Gemeindeverwaltung, die Tourismusinformation (am Wochenende geschlossen) und einige private Mieter.
Schloss Hubertusburg – die Übersicht

Was mir 2013 nicht gelang, sollte nun im Sommer 2021 nachgeholt werden, die Besichtigung des Schlossbereiches Hubertusburg. Zur Geschichte und architektonischen Entwicklung des Schlosses selbst, gibt es im Netz einiges zu lesen. Der Freundeskreis Schloss Hubertusburg e.V. ist hier zuerst zu empfehlen. Eigenartig ist, dass sich die Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH für das Schlossensemble offensichtlich nicht begeistern kann. Auf deren Internetseiten sind 53 Anlagen von A (ltzella) bis Z (abeltitz) aufgeführt. Das Schloss Hubertusburg fehlt in der Auflistung. In der Realität ist es jedoch vorhanden.
Von 1721 – 1733 als Jagdschloss gebaut, wird bei der Namensgebung die Verbindung zum Heiligen Hubertus, dem Schutzpatron der Jäger und der Tiere des Waldes, gebildet.
Wie unzählige andere Einrichtungen dieser Art, musste auch Schloss Hubertusburg über die Jahrhunderte Plünderungen, Zerstörung und Wiederaufbau über sich ergehen lassen. Der eigentliche Zweck des Jagdschlosses, das höfische Leben des sächsischen Adels und seiner Gäste an einem weiteren Ort des Kurfürstentums auf Kosten seiner Diener und Abgabenpflichtigen ausgedehnt zu entfalten, wird schon bald beendet. Die Ursache ist Krieg, damals der Siebenjährige. Mit dem schon erwähnten „Frieden von Hubertusburg“ endet dieser und das Schloss hat seinen Platz in der Geschichte gefunden.
Knapp 100 Jahre nach der Erbauung beginnt mit der Einrichtung eines Landeskrankenhauses (unter anderem) eine Nutzung, die in vielen Varianten bis zur heutigen Zeit den Schlosskomplex geprägt hat.
Die Schlosskapelle von Hubertusburg

Mein Spaziergang durch das weitläufige Schlossareal erregt die Aufmerksamkeit einer Dame. Wie ich erkenne ist sie Mitglied des „Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.“ und glänzt sofort mit Fachwissen, Fakten und mit einer freundlichen Art, Informationen zu vermitteln, aber auch Rücksicht auf mein eigenes Besuchsprogramm zu nehmen. Bei der Verabschiedung empfiehlt sie die katholische Schlosskapelle als sehr sehenswert.
Durch Vorinformationen war mir bekannt, dass die Schlosskapelle als interessanter, wenn nicht sogar als der interessanteste Teil des Schlossensembles angeführt wird.
Doch wo befindet sie sich? Als typische Kapellenarchitektur ist sie nicht zu erkennen. Der Besucher muss zunächst das Hauptpalais des 4-flügeligen Residenzschlosses betreten. Die Kapelle nimmt den gesamten linken Teil des Flügels ein. Hier sind originale Plastiken und Gemälde und ein ca. 400 qm großes Deckengemälde zu bestaunen. Der einzige Raum des Schlosses, der von Plünderung im Siebenjährigen Krieg verschont geblieben ist, zeigt nach seiner kompletten Restaurierung 2007 etwas von der Schönheit des Barock. Und wenn man etwas Glück hat, steht auch hier ein freiwilliger Betreuer bereit, viele Fragen zu beantworten.
Von der Krankenanstalt zum Fachkrankenhaus
Wie schon erwähnt, wurden die Gebäude des Schlossensembles schon recht frühzeitig für gesundheitliche Dienste genutzt. Verbunden mit Kriegen war die Einrichtung von Lazaretten und Gefängnissen in so weitläufigen Gebäuden fast Standard.
Das Jahr 1880 wird mit der Gründung der „Heil- und Pflegeanstalt Hubertusburg“ in Zusammenhang gebracht, welche ab 1939 wieder aufgelöst wird. Dass es zu dieser Zeit noch erheblich viele psychiatrische Patienten auf Hubertusburg gab, ist erwiesen. Immerhin wurden in den Jahren 1940/41 fast 1.000 von ihnen im Rahmen der NS-Aktion T4 in andere Krankenanstalten, so z.B. in die berüchtigte Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, zur Ermordung verlegt.
Nach Ende des 2. Weltkrieges begann der schrittweise Aufbau eines allgemeinen Krankenhauses mit den Kernpunkten Psychiatrie, Neurologie und einem umfangreichen Kinderbereich. Ab 1973 wurde es unter dem Namen „Kliniken Hubertusburg“ geführt.

Heute, reichlich 30 Jahre nach dem Ende der DDR und der langwierigen Neugestaltung der Krankenhauslandschaft im Freistaat Sachsen, gibt es mit dem Fachkrankenhaus Hubertusburg gGmbH noch immer eine medizinische Einrichtung im Gelände der Hubertusburg, wenn auch nicht mehr im eigentlichen Schloss. Mit den Schwerpunkten Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie gehört es zur St. Georg Unternehmensgruppe.
In direkter Nachbarschaft befindet sich die Fachklinik für Drogenrehabilitation Wermsdorf, welche den Behandlungs- und Therapieschwerpunkt mit der „Unterstützung auf dem Weg in ein drogenfreies und selbstbestimmtes Leben“ angibt.
Karl Hans Janke – nicht nur ein Patient

Nach meiner vielleicht etwas oberflächlichen Besichtigung des Schlossareals, der Schlosskirche und der teilweise noch nicht sanierten Nebengebäude ist mein Interesse auf eine Dauerausstellung in einem Gebäude der ehemaligen Kasernen gerichtet. Unter dem Titel „Genie und Schizophrenie“ wird multimedial an den wohl inzwischen bekanntesten Patienten der Psychiatrische Landesanstalt Hubertusburg in Wermsdorf (Sachsen), später „Kliniken Hubertusburg“, erinnert. Der ehrenamtliche Verein Rosengarten e. V. präsentiert in mehreren Räumen Arbeiten, Dokumente und Modelle vom Erfinder, Forscher, Patienten und vor allem vom Menschen Karl Hans Janke.
Sehr interessant dazu erscheint mir auch eine Dokumentation von 3Sat. Wenn auch der Titel „Genie und Wahnsinn“ nach meinem Geschmack etwas sehr medienwirksam gewählt wurde (Janke war bestimmt nicht wahnsinnig), konzentrieren sich die Filmmacher in der Dokumentation immer wieder auf die Kernpunkte seiner Anwesenheit in Hubertusburg. So kommen z.B. ehemalige Fachärzte, Schwestern und weitere Angestellte der Klinik zu Wort. Mit eindrucksvollen und umfangreichen Dokumenten unterstützt, vermitteln sie uns von Karl Hans Janke ein Bild eines Patienten, der zwar eine psychiatrische Diagnose hatte, aber vor allem ein Mensch war.
Erfinder Karl Hans Janke kompakt

- am 21.8.1909 in Kolberg/ Pommern geboren
- Volksschule, Gymnasium, Abitur
- 1941 – 43 Kriegsdienst, Entlassung aus gesundheitlichen Gründen
- 1945 Tod des Vaters, Umsiedlung nach Großenhain
- 1948 Tod der Mutter, verwahrloste und „auffällige Lebensweise“
- 1949 Einweisung in die Nervenklinik Arnsdorf (Sachsen)
- 1950 Verlegung in die Psychiatrische Landesanstalt Hubertusburg Wermsdorf
- dort fast vier Jahrzehnte Erfinden und Denken, Forschen und Zweifeln
- es entstehen ca. 2.500 Zeichnungen und zahlreiche Modelle
- am 15.2.1988 stirbt Janke in Wermsdorf
„Genie und Schizophrenie“ – die Janke Ausstellung
Es macht auf mich immer wieder einen angenehmen Eindruck, wenn ich Ausstellungsräume betrete, die nicht künstlich überhöht wirken. In der Exposition zum Leben und Wirken Karl Hans Jankes beginnt das schon an der kleinen Rezeption und setzt sich in der Gesamtpräsentation fort. Nach Bezahlung des bescheidenen Eintrittspreises folgt durch das sehr gut ausgebildete Betreuungspersonal eine kurze Erläuterung.
Interessant für mich war, dass die Ausstellung nicht durch modische Gestaltung, interaktive Elemente oder mit passiven Audio-Guides den Besucher informieren möchte. Wer sich darauf einlässt, den angebotenen Film zu schauen, die Texte zu lesen und sich bei Fragen auch mit den anwesenden Ausstellungsbetreuern auszutauschen, kann etwas in die Welt des Karl Hans Janke eintauchen.

Wer sich tiefer mit den Erfindungen, Gedankenvorstellungen und Visionen von Karl Hans Janke beschäftigen möchte, hat auch die Möglichkeit des Erwerbs von Kalendern, Broschüren und Katalogen.
So war mein Ausflug nach Wermsdorf ein voller Erfolg. Ich wollte und musste nicht in die absolute Tiefe der Geschichte des Schlosses Hubertusburg eintauchen. In der Ausstellung zum Erfinder Karl Hans Janke habe ich viel Zeit verbracht. Sehr empfehlenswert.