Zschopau mit Schloss Wildeck
Motorradstadt Zschopau – ein interessanter Besuch
Die sächsische Stadt Zschopau, gelegen am gleichnamigen Fluss, ist wohl jedem DDR-Bürger und in der heutigen Zeit öfters auch manchem Motorradfan weltweit ein Begriff. Seit dem 16. Juli 2021 darf sich Zschopau „Motorradstadt Zschopau“ nennen, was für den Bekanntheitsgrad nur förderlich sein kann. Mein Besuch im Mai 2022 galt der Stadt und dem Schloss. Leider konnte ich nur letzteres unbehindert besichtigen, da im Stadtzentrum umfangreiche Straßenbauarbeiten stattfanden. So beschränkt sich meine Beschreibung etwas auf die interessante Industriegeschichte und deren Darstellung auf Schloss Wildeck.
Zschopau – etwas Geschichte
Schon 1286 erstmals urkundlich erwähnt, war und ist die Geschichte der Stadt im Zschopautal sehr wechselvoll. Auch diese Gegend erreichte Ende des 15. Jahrhunderts das große Berggeschrey, was der Stadt 1493 den Titel Bergstadt einbrachte. Im Gegensatz zu den anderen bekannten Erzgebirgsstädten, wie Annaberg, Marienberg, Schneeberg oder Freiberg, ist jedoch die Bedeutung des Zschopauer Reviers nur bescheiden. Besser erging es anderen Industriezweigen.
Textilindustrie Zschopau
Die Textilindustrie, besonders durch die Baumwollspinnerei der Familie Bodemer geprägt, brachte den Firmeninhabern gute Gewinne. Immerhin standen 1836 in Zschopau 757 Kattunwebstühle und 454 Strumpfwirkstühle. Die Unternehmer, hier speziell Georg Jacob Bodemer (1807 – 1888), gaben einen Teil der Einkünfte an die Stadt und ihre Bürger zurück. So legte G.J. Bodemer mit einer Stiftung von 714 Büchern im Jahr 1863 den Grundstein für die heutige Stadtbibliothek. Seit 2003 trägt sie seinen Namen.
Dem ab 1913 in die „Zschopauer Baumwollspinnerei A.G.“ umgewandelten Spinnereibetrieb folgte nach dessen Enteignung ab 1952 der „VEB Baumwollspinnerei ‚Zschopautal‘ Zschopau“. In diesem Betrieb produzierten bis zu seiner Abwicklung 1990 bis zu 1.100 Angestellte (die meisten waren Frauen) Baumwollgarn. Das 1826 gebaute Industriegebäude verfällt seit 30 Jahren. Die Stadt Zschopau möchte das Objekt abreißen, der Denkmalschutz hat allerdings etwas dagegen.
Motorradproduktion Zschopau
Noch eindrucksvoller ist die Geschichte des Motorradbaus in Zschopau. Leider auch hier ohne krönenden Abschluss.
Ein gewisser Jorge Skaften Rasmussen (1878 – 1964), ein dänischer Ingenieur und Unternehmer, begann 1922 mit der Marke DKW (Dampfkraftwagen, ursprünglich ein kleiner PKW) seinen Siegeszug von Zschopau aus. Mit der Produktion von Motorrädern traf er den Zahn der Zeit. Dabei setzte Rasmussen auch auf Innovationen, die seinen Erfolg beflügelten. Neben einem günstigen Preis und guter Qualität sind der Einsatz eines Zweitaktmotors, die Einrichtung von Fließbandfertigung und die Beteiligung an Rennsportveranstaltungen mit entsprechenden Siegen für die ständig steigenden Verkaufszahlen maßgebend.
Auch Rasmussen wusste schon in den 1920er Jahren, ein Unternehmer kann ohne Arbeitskräfte keinen Gewinn erwirtschaften (die Industrieroboter waren noch nicht erfunden). Also bemühte er sich bei der Stadt für eine Genehmigung zum Bau einer Werkssiedlung, welche er auch erhielt. Das Land Sachsen unterstützte den Bau mit einem Darlehen und J.S. Rasmussen gab jedem Siedler einen Kredit von 1.000 Reichsmark. 1929 erfolgte die Fertigstellung der DKW-Siedlung am Zschopenberg. Im Jahr 2019 konnte die Zschopauer DKW/MZ-Siedlung ihr 90-jähriges Bestehen feiern.
Nach Ende des 2. Weltkrieges, das Werk in Zschopau hatte diesen fast schadlos überstanden, gab es trotzdem viele Veränderungen. Die Produktionsanlagen wurden demontiert und in die Sowjetunion befördert. Erst ab 1950 konnten in Zschopau wieder Motorräder gebaut werden. Die Marke DKW gab es nun aber plötzlich in zwei deutschen Staaten. Im entsprechenden Rechtsstreit gingen die Ingolstädter als Markensieger hervor. Motorrädern der Marke DKW produzierten sie aber nur bis 1958.
Aus DKW Zschopau wurde im Jahr 1952 das VEB Motorradwerk Zschopau, den meisten Menschen einfach als MZ bekannt. Im Zeitraum des Bestehens der DDR verließen insgesamt 2.545.112 Motorräder das Zschopauer Werk. Am 30.06.1992 wurde das legendäre Motorradwerk Zschopau (MZ) geschlossen.
Die Firmengeschichte von DKW und MZ ist weitaus umfangreicher. Im Netzwerk Industrie.Kultur.Ost gibt es ausführlichere Infos dazu.
Schloss Wildeck mit Museen
Das seit 1994 im städtischen Besitz befindliche Schloss Wildeck ist wohl der markanteste Punkt in der Zschopauer Stadtsilhouette. Von überall sichtbar wird das Areal von zwei Türmen bekrönt, der „Schlanke Margarethe“ und dem „Dicken Heinrich“. Auf den Internetseiten des Schlosses Wildeck ist die Geschichte vom Mittelalter bis zum heutigen Erscheinungsbild umfangreich beschrieben.
Der zentrale Turm im Schlosshof, der Bergfried oder auch „Dicker Heinrich“ genannt, ist 31 m hoch und kann mit wenig Aufwand über bequeme Stufen bestiegen werden. Von oben ist eine freie 360°-Rundsicht möglich. Das war nicht immer so, denn erst 1975 wurde die Turmspitze so gestaltet, wie sie heute ist. Dank dieses Umbaus konnte ich meine Blicke nicht nur in die Ferne schweifen lassen, sondern Zschopau auch von oben besehen. Ein Tipp für Besucher: Fernglas mitnehmen!
Beim Besuch des Museumskomplexes habe ich schnell festgestellt, hier konzentriert die Stadt ihr kulturelles Zentrum. Der Schwerpunkt liegt dabei natürlich auf der umfangreichen Motorradausstellung. In mehreren Räumen wird die Geschichte des Zschopauer Motorradbaus von der DKW-Gründung bis zur MZ-Ära eindrucksvoll gezeigt. Natürlich hat man auch die erfolgreiche Periode der Internationalen Sechstagefahrt (auch Six Days genannt), einer Enduromeisterschaft für Mannschaften, nicht vergessen. Sonderausstellungen, Veranstaltungen und Biker Treffs ergänzen die sehenswerte Schau.
Stadtbummel durch Zschopau
Beim Verlassen des Schlossgeländes werde ich von einem älteren Herrn angesprochen. Offensichtlich war mein Fotoapparat das Hinweiszeichen, ich könnte ein Besucher der Stadt sein. Es entwickelte sich ein interessantes Gespräch, bei dem er mir noch einige Tipps gab. Dadurch entdecke ich den kurzen, aber nicht minder interessanten Schlossrundgang durch den Schlossgarten.
Im Anschluss mache ich noch einen kleinen Stadtbummel. Interessante Objekte und Hinweise auf die Geschichte und Gegenwart von Zschopau in Sachsen finden sich einige. Leider schränkten die innerstädtischen Straßenarbeiten das entspannte Entdecken etwas ein. So begnüge ich mich etwas weniger. Ich steige zur Zschopau ab, besichtige die alte Steinbogenbrücke, schlage einen Bogen zum Anton-Günther-Park und richte meinen Blick immer wieder auf das sehenswerte Schlossareal. Mein Rückweg zum Altmarkt und Neumarkt führt mich durch Gassen und schmale Straßen. Wieder am Parkplatz vor dem Schloss Wildeck angekommen stelle ich fest: Zschopau ist schon eine Reise wert.