Der Wilisch und die Wilischbaude
Von Wettervorhersagen und Ferienspielen
„Wenn es über den Wilisch kommt, dann wird es ungemütlich“. Diesen Ausspruch hörte ich als ziemlich kleines Kind im Luft- und Schwimmbad von Kleinnaundorf. Unter dem Eindruck der heraneilenden dunklen Gewitterwolken unterhielt sich mein Vater mit einem weiteren Badbesucher über die zu erwartenden Wetteraussichten. Bei diesem Gespräch sprach der Gesprächspartner eben vom Wilisch und seiner Ungemütlichkeit.
Mir war die Bezeichnung Wilisch völlig unbekannt und zum damaligen Zeitpunkt sicher auch egal. Einige Jahre später hatte ich eine zweite Begegnung mit diesem eigenartigen Namen. Im Rahmen der sommerlichen Schulferienspiele fuhren wir Kinder mit der Straßenbahnlinie 31 von Dresden-Niedersedlitz nach Kreischa. Ich glaube, die Fahrt durch das Lockwitztal war an sich das eigentliche Erlebnis. Die mühevolle und lustlose Wanderung zum Wilisch konnten unsere Ferienspielbegleiterinnen nur durch die kostenfreie Bereitstellung von Bockwurst und Limonade an der Wilischbaude ausgleichen. Mir blieb der Wilischberg nur dadurch in Erinnerung.
Der Wilischlauf als Initialzündung
Eine längere Zeit vergaß ich den Berg und sein Ausflugslokal. Erst im Jahr 1986 hatten wir wieder eine kurze und für mich vor allem anstrengende Begegnung. Schon einige Jahre zuvor hatte ich mich dem Ausdauerlauf verschrieben. Obwohl ich bis dahin schon viele Läufe zwischen 5 und 75 Kilometern absolviert hatte, am Wilischlauf hatte ich noch nie teilgenommen. Das sollte sich also 1986 ändern. Dieser in Läuferkreisen als sehr anstrengend beschriebene Lauf führte (und führt noch heute) mit seiner Hauptstrecke genau über den 476 m hohen Wilisch, direkt an der Wilischbaude vorbei.
Nachdem ich einige Male den Wilisch laufend bewältigt hatte, wollte ich mir die Gegend dann doch mal näher und etwas ruhiger betrachten. So entschloss ich mich vor etwa 25 Jahren zu einer Kurzwanderung von der Teufelsmühle aus. Damit begann eine Bergfreundschaft, die bis heute anhält.
Wanderungen zum Wilisch
Südlich von Dresden, wenige Kilometer von der Kleinstadt Kreischa entfernt, befindet sich eine bewaldete Hügelkette. Die markanteste Erhebung ist dabei der Wilisch, eine 476 m hohe Basaltkuppe. Im geografischen Sinn nennt sich die Region „Landschaftsschutzgebiet Dippoldiswalder Heide und Wilisch“ und gehört geologisch zur „Wendischcarsdorfer Verwerfung“. Wer mehr darüber und die ganze Umgebung erfahren möchte, sollte die Fach-Internetseiten der Grüne Liga Osterzgebirge besuchen.
Das Waldgebiet rund um den Wilisch kann sowohl direkt von Kreischa aus, als auch von den die Naturregion einfassenden kleinen Dörfern Lungkwitz (Ortsteil von Kreischa), Hirschbach und Hermsdorf am Wilisch (beide Ortsteile von Glashütte/Sachsen) erwandert werden. Sehr zu empfehlen ist dafür die spezielle „Wanderkarte für das Kurwegenetz Kreischa“, welche das Zusammenstellen von ganz kleinen Abschnitten zu kombinierten Touren erlaubt.
Ich gebe zu, in all den Jahren habe ich nicht alle Wege zum und um den Wilisch genutzt. Mal ging es eben von Kreischa hoch und über Lungkwitz wieder runter, mal war die Hirschbachmühle der Startort und die Runde wurde über die Teufelsmühle zurückgeführt. Auch den recht nahen und bezogen auf die Anstrengungen sehr bequemen Wandererparkplatz bei Hermsdorf am Wilisch nutze ich für Kurzausflüge. Alle hatten immer ein gemeinsames Ziel – die Wilischbaude. Ich habe sie in meinem Leben bisher nur zweimal offen gesehen. Das erste Mal als Ferienkind Ende der 1960er Jahre und das zweite Mal eben 1986 als vorbeilaufender „Wilischläufer“. Seitdem ich die Region gelegentlich auch für einen Kurztrip zum Ausspannen nutze, kann ich aber nur noch einen schleichenden und permanenten Verfall des Gebäudes und seiner Nebenareals feststellen.
Die Wilischbaude
Mit dem Start der Lockwitztalbahn im Jahr 1906, der späteren Straßenbahnlinie 31, wurde der bis dahin bestehende Postkutschverkehr zwischen Niedersedlitz und Kreischa abgelöst. Die Anzahl der städtischen Ausflügler nahm erheblich zu, das Waldgebiet rund um den Wilisch war ein beliebtes Ziel. Schon zwei Jahre später wurde die Wilischbaude errichtet. Auf alten Fotos ist sie noch sehr dominant vor dem Basaltkegel, auch als Wilischkuppe bezeichnet, zu sehen.
Wer die Besitzer und Pächter dieser Anlage waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Nach 1990 wurde die Baude wohl geschlossen. Gelegentlich konnte ich bei meinen späteren Bergbesuchen einen mobilen Verkaufswagen sehen. Mit einem Imbissangebot wurde in der warmen Jahreszeit und an Wochenenden so etwas wie eine Bewirtung bereitgestellt. Eine Privatinitiative, die lobenswert war, aber wahrscheinlich wirtschaftlich erfolglos blieb. Später gab es diese Oase schon nicht mehr.
Im Jahr 2013 entdeckte ich vor der ehemaligen Wilischbaude eine Bautafel und bemerkte erste Veränderungen, die solide aussahen. Leider ein Strohfeuer, den schon zwei Jahre später passierte nichts mehr. Auch bei meinen Besuchen in den Jahren 2015, 2017, 2019 und 2020 konnte ich leider nur eine Richtung der Entwicklung feststellen, das Gebäude verfällt.
Im Juli 2022 habe ich mich nun wieder einmal zum Wilisch und in Richtung Wilischbaude gewagt. Das Objekt selbst steht immer noch fast unverändert da. Das Umfeld wurde von Unrat bereinigt und einige verfallenen Holzbaracken wurden entsorgt. Sollte das einen Grund haben?
Die Wilischbaude auf dem Wilisch in Fotos
Verlust und Zukunft
Das in der Bevölkerung sehr beliebte und von der Kaitzbachquelle gespeiste Luft- und Schwimmbad von Kleinnaundorf ist seit ca. 1990 geschlossen. An Stelle des Bades wurden öffentlich zugängige Teiche angelegt. Die Gesamtgestaltung des Areals erinnert an das alte Bad.
Die Straßenbahnlinie 31 wurde im Jahr 1977 eingestellt. Heute wird Kreischa durch die Buslinie 86 (Heidenau – Kreischa – DVB) und 386 (Glashütte – Dresden-Dobritz – RSVEO) bedient.
Und die Wilischbaude? Sie ist wohl nach 1990 geschlossen worden. Nun habe ich aber entdeckt, dass es mal wieder einen optimistischen Neuanfang geben soll. Ein Unternehmer aus Hermsdorf am Wilisch plant eine „Ferienanlage am Wilisch – Restaurant und Natur Appartements“ (siehe Aktuelles Juni 2023). Unter dem angegebenen Link finden alle Interessierten die Vorstellungen des neuen Besitzers. Er ist auch der Initiator für die Beräumung rund um die Wilischbaude. Es wird also mal wieder interessant. Ein ähnliches Projekt habe ich ja in meinem Beitrag „Vom Rittergut Tiefenau zur Ferienhaussiedlung“ beschrieben. Viel Ausdauer ist gefragt. Auch wenn die vorgestellte architektonische Lösung nicht meinen Geschmack trifft, hoffe ich trotzdem, dass es dieses Mal gemütlich wird, wenn etwas über den Wilisch kommt.
Aktuelles Juni 2023
Ich habe den Link zur „Ferienanlage am Wilisch – Restaurant und Natur Appartements“ per 21.06.2023 entfernt. Die Domain wird nicht mehr gefunden. Ich nehme an, dass sich das Projekt zerschlagen hat.
Die Wilischbaude verfällt indessen weiter. Durch die kaputte Wandschalung verteilt sich das mal vor vielen Jahren eingebrachte Dämmmaterial langsam aber kontinuierlich im angrenzenden Wald.