Erinnerungen an Curt Querner
Curt Querner – der Maler aus Börnchen
Am 7. April 2024 wäre der Maler Curt Querner 120 Jahre geworden. Die öffentlichen Ehrungen waren anlässlich des kleinen Jubiläums bescheiden. Vielleicht hätte er es auch nicht anders gewollt, wenn er noch gelebt hätte. Auf das „Querner-Geschrei“, wie er es selbst bezeichnet hat, musste er ohnehin lange warten. Noch im Juni 1962 schrieb er in sein Tagebuch: „Engewaldschau klein, beendet. Verkauft nichts – trostlos. Mit 58 Jahren steht man da, mit paar dünnen Zeitungsartikeln in der Hand – das ist alles …“
Querner in der Galerie Kühl
Beginnend in den frühen 1980er Jahren besuchte ich mit einem kunstinteressierten Arbeitskollegen öfters die Galerie Kühl in Dresden. Diese befand sich damals noch im obersten Stockwerk einer leicht in den Verfall übergehenden Villa in der Zittauer Straße. Nach dem Klingeln öffnete der damaligen Galerieleiter Johannes Kühl mit den Worten „Bitte schauen Sie sich um“. Er widmete sich anschließend wieder seiner Tätigkeit und wir Besucher konnten völlig unbehelligt durch die hellen Galerieräume wandeln, die sich, im Gegensatz zum Treppenhaus, in einem erfrischenden und tadellosen Zustand befanden. Heute firmiert das Haus als „Kunstausstellung Kühl“ und feiert aktuell sein 100-jähriges Jubiläum.
An diesem Ort begegnete ich erstmals einigen Aquarellen von Curt Querner. Sie waren Teil einer Angebotsausstellung „bei Kühl“, die über die Wintermonate stattfand. Ich war mit meinem Kollegen einer Meinung, dass der Erwerb nur eines dieser grandiosen Bilder ein Schatz wäre. Wir befanden uns noch in der DDR und über Kapitalanlagen machte ich mir damals noch keine Gedanken. Unabhängig davon waren die Verkaufspreise zwar aus heutiger Sicht „Peanuts“, damals allerdings für mich unerschwinglich.
So blieb für mich also nur die Alternative, Gemälde und Aquarelle von Curt Querner weiterhin nur „außer Haus“ zu betrachten. Von da an verfolgte ich die Personalausstellungen über den Künstler intensiver. Das Freitaler „Haus der Heimat“, heute „Städtischen Sammlungen Freital“, im Schloss Freital-Burgk war und ist hier eine wertvolle Adresse.
Die Osterzgebirgsgalerie im Schloss Dippoldiswalde war das auch einmal. Hier gab es sogar eine respektable „Querner-Ecke“ mit zahlreichen Werken. Leider wurde die Galerie in dieser Form im Jahr 2018 geschlossen und danach als kleiner Teil dem neu konzipierten LOHGERBER MUSEUM & GALERIE Dippoldiswalde eingegliedert. In meinem Beitrag „Osterzgebirge Galerie und Museum im Wandel“ hatte ich über den Verlust berichtet.
Tag der starken Farben – Tagebuchaufzeichnungen
Vor einigen Wochen, rechtzeitig als Urlaubslektüre, entdeckte ich in einer zur Büchertauschzentrale umfunktionierten Telefonzelle eine interessante Broschüre. Unter dem Titel „Curt Querner – Tag der starken Farben“ wurden vom Dresdner Geschichtsverein in einer Sonderausgabe der Reihe „Dresdner Hefte“ Auszüge aus seinen Tagebüchern von 1937 bis 1976 publiziert. Kurz entschlossen steckte ich das Heft ein und konnte mich so in das Leben des Malers Curt Querner vertiefen.
Die auf 220 Druckseiten zusammengestellten Einträge sind sehr persönlich. Nicht alles, was der Mensch Querner seinem Tagebuch anvertraut hat, liest sich schön. Das haben wohl Tagebücher immer so an sich, wenn sie nicht extra für die Bestseller-Liste zurechtgeschrieben wurden. Davon kann hier aber absolut keine Rede sein.
Im Gegensatz zu Belletristik, gute Belletristik versteht sich, bei der ich auch mal 20 bis 50 Seiten durchlesen kann, musste ich bei den Tagebuchaufzeichnungen immer wieder Pausen einlegen. Vieles galt es zu durchdenken und manches Bekannte auch neu zu bewerten. Obwohl sein Dasein und seine künstlerischen Aktivitäten über viele Jahrzehnte mehr ein Kampf um die nackte Existenz waren, hat Querner nie aufgegeben.
Fast permanent besuchte er Galerien und Ausstellungen, um die Malweise der alten Meister zu verinnerlichen. Wieder und wieder zog es ihn raus in Richtung „Kipse“ (Quohrener Kipse), raus auf die Felder, oftmals viele Stunden lang. Bepackt mit Wasserfarben und Staffelei, die ihm auch ab und an um die Ohren flog, zeichnete er seine Bilder. Zu Hause in der Bodenkammer, seinem kleinen Atelier, entstanden die Porträts und Selbstporträts. Viele wiederholt und nochmal und später wieder.
Seine Äußerungen über die Farben, die er beim Blick aus dem Dachfenster wahrnahm, seine kritischen und vor allem auch selbstkritischen Überlegungen zu seiner Umwelt, seinen Werken und auch zu seinen Malerkollegen machen diese Publikation für mich so interessant. Sie gibt mir einen tiefen Einblick in das bescheidene und ehrliche Leben eines Künstlers.
Das Atelier in der Bodenkammer
Nach so viel Theorie wollte ich es genauer wissen und fuhr nach Börnchen, in das kleine Dorf südlich von Dresden. Ich spazierte durch die Dorfstraße, suchte mir die Felder mit dem Blick zur Kipse, auf denen Curt Querner seine Aquarelle gemalt hat, und wanderte natürlich durch die berühmte Gasse, die nun Curt-Querner-Gasse heißt, zum Geburtshaus.
Hier treffe ich eine freundliche Frau, die sich mir nach dem ersten Wortwechsel als eine Enkelin von Curt Querner vorstellt. Im Laufe unseres Gesprächs entwickelt sich ein reger Austausch über Curt Querner, sein Leben und das Leben seiner Familie und über die vielen Dinge, die ich teilweise schon in den Tagebucheinträgen gelesen hatte. Als Höhepunkt der Begegnung erhalte ich die Einladung, mir das Atelier in der Bodenkammer anzusehen, welches bis heute unverändert ist.
So sitze ich ganz kurz auf dem Schemel, auf dem seine vielen Modelle (die Enkeltöchter inbegriffen) stillsitzen mussten. Der Blick aus dem kleinen Dachfenster auf die Gasse rundet meine Besichtigung ab. Nach einer knappen Stunde verabschiede ich mich von meiner Gastgeberin und fahre mit vielen Eindrücken zurück.
Nun heißt es warten, in 2 Jahren gibt es das nächste Jubiläum, den 50. Todestag. Vielleicht ist dann das „Querner-Geschrei“ lauter.
Kurzbiographie Curt Querner
Eine kurze Vita sollte nicht fehlen. Umfangreichere Biographien gibt es in analoger und digitaler Form an anderen Stellen mehr.
- Geboren am 7. April 1904 in Börnchen bei Possendorf
- 1910 – 1918 Volksschule Börnchen
- 1918 – 1921 Schlosserlehre in Freital
- 1925 Bekanntschaft mit dem Maler Hermann Lange aus Freital, der ihn zum Studium anregt
- 1926 – 1930 Studium an der Kunstakademie Dresden
- 1927 Freundschaft mit Wilhelm Dodel, seinem späteren Schwager
- 1933 Heirat mit Regina Dodel, der Schwester seines Malerfreundes Wilhelm Dodel
- Wohnung in der Annenstraße 34
- ab 1940 Militärdienst
- 1945 – 1947 Kriegsgefangenschaft in Norwegen / Frankreich
- 1945 Atelier und Wohnung Annenstraße 34 werden bei der Bombardierung Dresdens am 13.Februar zerstört. Ehefrau Regina Querner kann nur ein Drittel der Arbeiten retten.
- 1947 Rückkehr nach Dresden und Einzug in Börnchen; wohnen in extrem beengten Verhältnissen im Elternhaus
- ab 1952 Personalausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen; öfters auch Ablehnung und Zurückweisung seiner Werke durch die Kulturverantwortlichen
- 1959 Kunstpreis der Stadt Freital
- 1971 Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR
- 1972 Nationalpreis der DDR
- 1976 am 10. März stirbt Curt Querner im Krankenhaus Kreischa. Die Beisetzung erfolgt auf dem Friedhof in Possendorf.